Liebeskummer und Wissenschaft

Seit einiger Zeit beschäftigen sich neben der Psychologie auch die Medizin, die Neurobiologie und die Anthropologie mit dem Zustand des Liebeskummers.

Der Liebeskummer setzt auch dem Körper zu - so das Ergebnis mehrerer internationaler Studien.
Wenn wir ohne Vorwarnung einen großen emotionalen Schmerz erleben, fehlen dem Gehirn schlagartig Glückshormone, an die es bis dahin gewohnt war. Dadurch kann Liebeskummer Spuren im Hirn hinterlassen, wie es sonst nur bei schweren Depressionen geschieht. Wissenschaftler entdeckten im Hirn von "Liebeskummer- Patienten" physiologische Auffälligkeiten wie einen starken Rückgang des Nervenbotenstoffes Serotonin und unrhythmische Figuren im Hirnstrombild (EEG) - allesamt Veränderungen, die eigentlich typisch sind für Depressionen.

Noch gefährlicher ist der Trennungsschmerz für das Herz. Kardiologen stellten bei Liebeskranken ähnliche Krankheitssymptome fest wie bei Herzkranken. Die ausgeschütteten Stresshormone können den Herzmuskel schädigen und sogar lähmen. Ein gebrochenes Herz, das so genannte "Broken Heart Syndrome", kann das Immunsystem nach einer schmerzhaften Trennung auch bei sonst gesunden Menschen schwächen - unabhängig von weiteren Risiken wie Rauchen oder Bewegungsmangel - bis hin zum Herzinfarkt.
Seit Jahrhunderten wissen Ärzte, dass emotionale Schocks Herzanfälle auslösen und sogar zum plötzlichen Tod führen können. Doch beim "Gebrochenen-Herz-Syndrom" oder Stress-Kardiomyopathie handelt es sich um ein anderes Phänomen.
In ihrer im "New England Journal of Medicine" veröffentlichten Untersuchung zeigen die Mediziner, wie ein tagelanger Schub von Adrenalin oder anderen Stresshormonen die Pumpkapazität des Herzens beeinträchtigen kann. Ihrer Theorie zufolge könnten die Hormone die kleinen Blutgefäße anregen, sich zusammenzuziehen, doch sind auch andere Erklärungen möglich. Dozent Hunter Champion betonte, die Möglichkeit, das Syndrom zu erkennen, habe Patienten überflüssige Herzbehandlungen erspart.

Die amerikanische Anthropologin Helen Fisher erklärte das scheinbar irrationale Verhalten von Liebeskranken zu einer wichtigen Funktion in der Evolution. Der Versuch, die Partnerin/den Partner zurück zu gewinnen, sowie depressive Trauer und die darauf folgende Wut und Resignation sind jeweils Ausdrucksformen eines primären Selbsterhaltungstriebs.

Erkenntnisse aus der Biochemie unterstützen diese Thesen: Liebeskummer erzeugt Stress, dieser wiederum führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin - Botenstoffe, die suchtartige Reaktionen auslösen können. Und genau aus diesem Grund meinen wir in der ersten Phase des Liebeskummers, diesen Menschen fast noch mehr zu lieben als zuvor. Eine überlebenswichtige Reaktion von Säugetieren auf das Kappen von sozialen Banden, so die Anthropologin.

Auch die Phase der Wut und Aggression weiß die Wissenschaft zu erklären. Wut ist zwar ungesund und setzt unsere körperlichen Funktionen unter extremen Stress, gleichzeitig hilft uns diese Wut aber, wieder an das Wesentliche zu denken - und uns ganz im evolutions- technischen Sinn wieder der Selbsterhaltung zu widmen.

Wenn also der Liebeskummer Ihr Herz zerreißt, - denken Sie daran: dieser Zustand ist nicht Ihre persönliche Schwäche, sondern als liebeskranker Mensch haben Sie kaum eine andere Wahl. Bricht Ihnen jemand Ihr Herz, spielen Ihre Botenstoffe verrückt - und Sie brauchen professionelle Hilfe.